Das
Eingreif-
theater

Über Das aktionstheater Ensemble
Von Dr. Lothar Lohs
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Das aktionstheater ensemble feiert seine ersten 30 Jahre. Das ist keineswegs selbstverständlich in diesen turbulenten, Trends, Ästhetiken, Rebellionen und Oppositionsattitüden auch auf dem Theater rasant verschleißenden Zeiten. Aber Martin Gruber ist es gelungen, mit seinem immer mal wieder wechselnden Ensemble ein Off-Theater zu etablieren, das Maßstäbe setzt im theatralen Umgang mit den Widersprüchen und dem Irrsinn dieser Gegenwart. Kürzlich ist er auch im renommierten deutschen Branchen-Zentralorgan „Theater heute“ angekommen, wo dem aktionstheater ensemble das Kompliment gemacht wurde, dass es zu den wenigen freien Gruppen gehöre, „die mit den Jahren immer besser werden“. Und er lässt dabei den etablierten Theaterbetrieb mit seiner Klassiker-Fixiertheit ziemlich alt ausschauen – wie eine erstarrte Museumslandschaft, die den Kontakt mit der Realität und der Verstörung dieser Gesellschaft weitgehend verloren hat.

Dagegen hat der Vorarlberger Theatermacher sein Ensemble als „schnelle Eingreiftruppe“ formiert: was unter den Nägeln an Themen brennt, gehört auf die Bühne. Alleine die Titel der Projekte der letzten Jahre sprechen Bände: „Die wunderbare Zerstörung des Mannes“ (2018), „Ich glaube“ (2017), „Swing: Dance to the Right“ (2017), „Jeder gegen Jeden (2016), „Riot Dancer“ (2015), „Angry Young Men“ (2014) usw. So ist in der Regel starkes, unterhaltsames, freches, intelligentes, böses, witziges, fesselndes Theater am Puls der Zeit entstanden, an dem die Nestroy Jury auch nicht mehr vorbeischauen konnte: 2015 wurde er mit „Pension Europa“ erstmals für einen Nestroy in der Kategorie Beste Off-Produktion  nominiert, den er dann schließlich 2016 mit „Kein Stück über Syrien“, der pointierten, politisch inkorrekten Performance über Helfen, Helfenwollen und Egozentrik in den Zeiten der Flüchtlingsströme, auch abräumte.

Aber dass Martin Gruber heiße Themen anfasst, das alleine würde den Erfolg des aktionstheater ensemble nicht erklären. Dessen Geheimnis liegt in der exemplarischen Arbeitsweise mit dem Ansatz: wenn es keine neuen guten Stücke zu den grassierenden Problemen unserer Zeit gibt, muss man sie sich eben selber entwickeln, was der Regisseur Gruber mit dem jeweiligen Stückensemble auch praktiziert. Das in Interviews mit den Akteuren gesammelte Textmaterial wird zu einem Stück verdichtet und stets mit Live-Musik serviert. Und weil die Akteure quasi keine fremden Rollen spielen, sondern ihr eigenes Stück, summiert sich das zum Markenzeichen aller Gruber-Inszenierungen, der atemberaubenden Direktheit, Intensität und Authentizität der Spieler. Das summiert sich weiters zu magischen Momenten auf der Bühne. Martin Gruber schafft es immer wieder zu zeigen, wie schön Theater sein kann.

– Von Dr. Lothar Lohs, Chef vom Dienst a. D. des österreichischen Theatermagazins DIE BÜHNE